Terminologie

Im 19. Jahrhundert erschienen Texte, in denen die dreihundert Jahre zuvor formalisierte Dynamik starrer Körper speziell auf Schwerter und Säbel angewandt wird. Die in diesen Texten verwendeten Begriffe passen zur technischen und physikalischen Nomenklatur sowohl der damaligen wie auch unserer Zeit. Wer seinen Mitfechtern das Auffinden relevanter Informationen erleichtern will, sollte diese Terminologie übernehmen.

Masse
Die Masse des Schwerts ist der Widerstand, den das Schwert einer Beschleunigung entgegensetzt. Gleichzeitig bestimmt die Masse zusammen mit dem Schwerkraftfeld, in dem es sich befindet, das Gewicht des Schwerts. Umgangssprachlich werden Gewicht und Masse synonym zueinander verwendet. Auf Englisch: mass für Masse bzw. weight für Gewicht.
Schwerpunkt
Der Massenmittelpunkt ist das massengewichtete Mittel aller Massenelements-Orte. Der Schwerpunkt ist der Ort eines ausgedehnten Körpers, den man unterstützen muss, damit die Schwerkraft kein Drehmoment auf ihn ausübt. In einem homogenen Schwerkraftfeld, also für alle praktischen Anwendungen von Schwertern, sind Massenmittelpunkt und Schwerpunkt identisch; sie können daher synonym verwendet werden. Die englischen Namen sind centre of mass bzw. centre of gravity. Im Zusammenhang mit Schwertern gibt es auch den sonst unüblichen Begriff „point of balance“, den man neben seiner improvisierten Übersetzung – Balancepunkt – auch in deutschen Foren findet.
Trägheitsmoment
Das Trägheitsmoment ist der Widerstand, den das Schwert einer Änderung seiner Rotation entgegensetzt. Es hängt von der Masse und ihrer Verteilung ab und von der Achse der Rotation. Auf Englisch heißt es moment of inertia. Das Trägheitsmoment kann mit Hilfe eines Dreh- oder Torsionspendels bestimmt werden.
Trägheitsradius
Der Trägheitsradius ist die Entfernung von der Rotationsachse, in der man sich die ganze Masse des Schwerts konzentriert denken kann, ohne dass es dabei seinen Widerstand gegen eine Änderung der Rotation, sein Trägheitsmoment, ändert. Der englische Name des Trägheitsradius ist radius of gyration.
Schwingungsmittelpunkt
Der Schwingungsmittelpunkt oder Stoßmittelpunkt oder Momentanpol ist die Stelle eines Schwerts, auf die bei einer auf das Schwert einwirkenden Kraft kurzzeitig keine Beschleunigung (aber ein Drehmoment) übertragen wird. Die Lage des Schwingungsmittelpunkts hängt vom Trägheitsmoment und von der Stelle ab, an der die Kraft angreift. Diese Stelle wiederum ist der Schwingungsmittelpunkt zum vorigen Schwingungsmittelpunkt. Die englischen Bezeichnungen sind centre of oscillation und centre of percussion. Centre of percussion ist zwar korrekt, wird aber im Zusammenhang mit Schwertern fälschlicherweise auch für den weiter unten genannten Schwingungsknoten verwendet. Will man Missverständnisse vermeiden, ist im Englischen die Bezeichnung „centre of oscillation“ die bessere Wahl. Die wörtliche Entsprechung „Schwingungsmittelpunkt“ ist zugleich der deutsche Name, der als erstes in Verbindung mit Klingenwaffen dafür verwendet wurde [1]. In einigen Quellen [12] wird der zur Hand gehörende Schwingungsmittelpunkt als die Stelle empfohlen, mit der man treffen solle.

Den zum Knauf gehörenden Schwingungsmittelpunkt bezeichnet man gelegentlich als „aft pivot point“, den zum Kreuz gehörenden als „forward pivot point“. Sowohl „pivot point“ [3] als auch die deutsche Entsprechung „Drehpunkt“ [4] sind nicht ideal, da sie üblicherweise eine durch eine Zwangsbedingung feste Achse benennen, die es in diesem Zusammenhang gerade nicht gibt. Weitere, nicht empfohlene Namen sind „gefühlter Schwerpunkt“, „Kipppunkt“ und „Schwingungspunkt“. Eine Verallgemeinerung der Zwei-Massen-Modelle, deren eine Punktmasse am Knauf oder am Kreuz liegt, ist der Verlauf der Schwingungsmittelpunkt-Masse über ihre Position. [4] Dieser Kurvenverlauf wird beschrieben durch
\begin{equation*}
\mu = \left(1 + \xi^2\right)^{-1}
\end{equation*}
wobei \(\mu\) der Quotient aus Schwingungsmittelpunkt-Masse (irreführend als „effektive Masse“ [4] bezeichnet) und Gesamtmasse ist, und \(\xi\) der Quotient aus Abstand zum Schwerpunkt und Trägheitsradius um den Schwerpunkt.

Die Schwingungsmittelpunkte werden meistens mit dem sog. „waggle test“ bestimmt, dessen Ergebnisse mit dem Ausführenden variieren. Zuverlässiger ist die Bestimmung über das Trägheitsmoment.

reduzierte Pendellänge
Die reduzierte Pendellänge bezeichnet den Abstand zwischen zwei korrespondierenden Schwingungsmittelpunkten. Die englischen Bezeichnungen sind radius of oscillation oder effective length. Speziell der Abstand zum mit dem Kreuz korrespondierenden Schwingungsmittelpunkt wird auch „dynamic length“ genannt. [5]
Schwingungsknoten
Schwingungsknoten sind die Stellen, die bei einer Biegeschwingung stillhalten, d. h. deren Amplitude minimal ist. Bei der freien fundamentalen Biegeschwingung gibt es zwei solche Knoten. Obwohl der Knoten auf Englisch node of vibration oder vibrational node heißt, wird er im Zusammenhang mit Schwertern – und sonst nie – auch „centre of percussion“ genannt, womit eigentlich der oben genannte Stoß-/Schwingungsmittelpunkt gemeint ist [2]. Das Gegenteil eines Knotens, also ein lokales Amplitudenmaximum, heißt Bauch (auf Englisch: anti-node).

Literatur

  • [1] A. Fehn. Die Fechtkunſt mit Stoß- und Hiebwaffen. Hannover: Carl Rümpler, 1851.
  • [2] R. F. Burton. The Book of the Sword. London: Chatto & Windus, 1884.
  • [3] G. L. Turner. Dynamics of Hand-Held Impact Weapons. Version 5. Association for Renaissance Martial Arts. 22. Juli 2002. URL: https://armor.typepad.com/bastardsword/sword_dynamics.pdf (besucht am 02.02.2016).
  • [4] B. Grotkamp-Schepers u. a., Hrsg. Das Schwert. Gestalt und Gedanke. Solingen: Deutsches Klingenmuseum, 2015.
  • [5] V. Le Chevalier. A dynamic method for weighing swords. Ensis Sub Caelo. 15. Nov. 2014. URL: https://www.subcaelo.net/ensis/weighing/weighing.pdf (besucht am 02.02.2016).
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Dieser Text des Autorenkollektivs Tremonia Fechten steht unter
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