Dynamische Größen bestimmen die Reaktion eines starren Körpers auf äußere Kräfte. Auch wenn ihre Bedeutung für das Verhalten eines Schwerts seit dem 19. Jahrhundert bekannt ist [1–3], umfassen viele Datensätze von Originalschwertern, Repliken und Trainingswaffen lediglich Masse und Schwerpunkt, nicht aber eine dritte Größe wie Trägheitsmoment, Trägheitsradius oder korrespondierende Schwingungs‐/Stoßmittelpunkte. Eine dritte Größe ist jedoch erforderlich, um die Reaktion eines starren Körpers zu berechnen. Zwar sind seit Jahrzehnten einige Geräte zur Messung von Trägheitsmomenten kommerziell verfügbar, unter historischen Fechtern und in Forschungsarbeiten mit Bezug zu Schwertern ist jedoch die am weitesten verbreitete Methode zur Bestimmung einer dritten Größe der Dynamik der sogenannte waggle test [4, 5], der Anfang des 21. Jahrhunderts in einer Variante mit nach oben gerichtetem Ort vorgestellt wurde [6] und mittlerweile vor allem mit nach unten gerichtetem Ort durchgeführt wird [7]. Mit Hilfe des Waggle‐Tests lässt sich die Lage eines zu einer beliebigen Achse gehörenden Schwingungsmittelpunkts bestimmen, was erklären könnte, warum so viele Versuche, das dynamische Verhalten eines Schwerts zu interpretieren, die Positionen von Schwingungsmittelpunkten zum Gegenstand haben.
Die Durchführung des Waggle‐Tests wird von Le Chevalier beschrieben. [7] Er untersuchte außerdem den Einfluss der erzwungenen Schwingungsperiode auf die Präzision des Verfahrens. Im vorliegenden Artikel werden Präzision und Richtigkeit des Waggle‐Tests auf der Grundlage experimenteller Daten untersucht.
Aufbau und Methoden
Für die Versuche wurden zwei hölzerne Besenstiele in die Form von Zylindern der Länge \(l = 1{,}216\,\mathrm{m}\), mit dem Radius \(r = 0{,}0122\,\mathrm{m}\) und der Masse \(m = 418\,\mathrm{g}\) gesägt. Damit ergibt sich für das erste Hauptträgheitsmoment \(J_\text{calc} = 51{,}5\,\mathrm{g}\,\mathrm{m}^2\). Die Versuchsteilnehmer wurden angewiesen, den Schwerpunkt mit einem Gummiband zu kennzeichnen, den Punkt zu markieren, an dem sie den Stock halten wollten und den zugehörigen Schwingungsmittelpunkt nach Le Chevaliers Anleitung zum Waggle‐Test [7] zu bestimmen und zu markieren. Zusätzlich wurden sie angewiesen, den Besenstiel umzudrehen und den Waggle‐Test mit dem gefundenen Schwingungsmittelpunkt zu wiederholen und zu prüfen, ob sie den ursprünglichen Punkt als korrespondierenden Schwingungsmittelpunkt bestimmen können. Das Produkt aus der Masse des Besenstiels und den Abständen der korrespondierenden Schwingungsmittelpunkte zum Schwerpunkt ist das Trägheitsmoment um den Schwerpunkt. Es sollte bei jeder Messung mit dem berechneten Trägheitsmoment übereinstimmen.
Ein Teil des Versuchs wurde bei den DDHF‐Trainertagen durchgeführt, einer Lehrveranstaltung für Trainer des historischen Fechtens. Dort wurden acht Datensätze aufgenommen. Der zweite Teil wurde bei Tremonia Fechten durchgeführt. Die Teilnehmer des zweiten Teils waren Anfänger, erfahrene Fechter und ein Trainer. Dieser Teil ergab sieben Datensätze.
Zusätzlich wurden fünf Datensätze von Schwertern und Rapieren des 16. und 17. Jahrhunderts von der GEEhW verwendet. Die GEEhW analysiert Originale, vor allem deren morphologische Eigenschaften. Diese Datensätze umfassen Masse, die Lage des Schwerpunkts und zwei Paare korrespondierender Schwingungsmittelpunkte, die mit dem Waggle‐Test bestimmt wurden. [8] Das Trägheitsmoment ist damit überbestimmt. Zwar können wir nicht die wahren Trägheitsmomente der Schwerter berechnen, aber wir können die Ergebnisse aus jedem Schwingungsmittelpunktepaar vergleichen, um die Präzision der Messungen zu bestimmen.
Ergebnisse und Diskussion
Der Besenstiel‐Versuch ergibt ein arithmetisches Mittel der gemessenen Hauptträgheitsmomente \(\bar{J} = 33{,}6\,\mathrm{g}\,\mathrm{m}^2\) mit einer Standardabweichung von \(\sigma = 13{,}1\,\mathrm{g}\,\mathrm{m}^2\). Der Variationskoeffizient liegt damit bei \(\sigma/\bar{J} = 39{,}0\,\%\), die relative systematische Abweichung ist \((J_\text{calc}-\bar{J})/J_\text{calc} = 34{,}8\,\%\). Siehe Abb. 1 für eine graphische Darstellung. Die Ergebnisse der Trainergruppe (DDHF, Messungen 1 bis 8) ähneln denen der gemischten Gruppe (Tremonia Fechten, Messungen 9 bis 15) hinsichtlich Richtigkeit und Präzision.
Nach den Richtlinien der GEEhW sollen die Schwingungsmittelpunkte zu den beiden Enden des Schwertgriffs bestimmt werden; damit können wir aus jedem dieser Schwingungsmittelpunktepaare das Trägheitsmoment um den Schwerpunkt berechnen. Da das Trägheitsmoment um eine gegebene Achse in einem starren Körper konstant ist, weist der Unterschied zwischen den Ergebnissen auf die Präzision des Waggle‐Tests hin. Die Ergebnisse sind in Abb. 2 dargestellt. Die berechneten Trägheitsmomente weichen von ihren jeweiligen Mittelwerten um 56 % bis 95 % ab, die mittlere relative Abweichung liegt bei 73 %.
Typische einfache Abstandsmessungen beinhalten Messfehler im niedrigen Prozentbereich. Die meisten Küchenwaagen arbeiten mit noch geringeren Fehlergrenzen. Der begrenzende Faktor für eine akkurate Bestimmung der dynamischen Eigenschaften von Schwertern ist damit der Waggle‐Test.
In zwei weiteren Versuchen wurden Teilnehmer mit recht genauen Messungen darüber informiert, dass ihre Messungen ungenau seien, und sie wurden gebeten, Ergebnisse zu reproduzieren, die ihnen als exakt genannt wurden, in Wirklichkeit jedoch stärker vom berechneten Wert abwichen als ihre eigenen Messungen. In beiden Fällen konnten die Teilnehmer die falschen Werte als richtig reproduzieren. Sollte diese Suggestionsanfälligkeit ein verbreiteter Effekt sein, sollte man besonders vorsichtig mit Messdaten sein, die mit einer gewissen Erwartung erzeugt wurden, z. B. wenn angenommen wird, dass ein spezieller Typ eines Schwerts eine bestimmte Lage des Schwingungsmittelpunkts aufweist.
Zusammenfassung und Ausblick
Obwohl der Waggle‐Test einige Messwerte ergab, die hinreichend nah am berechneten Trägheitsmoment liegen, weist die gesamte Datenlage darauf hin, dass man den Ergebnissen von Waggle‐Tests mit Skepsis begegnen sollte. Diese Beobachtung wird gestützt von der Diskrepanz zwischen sich aus korrespondierenden Schwingungsmittelpunktepaaren ergebenden Trägheitsmomenten, die mit Hilfe des Waggle‐Tests an Original‐Schwertern und ‑Rapieren bestimmt wurden. Es wird daher vorgeschlagen, den Waggle‐Test zugunsten einer genaueren Methode aufzugeben.
Zusammen mit dem Konstrukteur, Fechter und Klingenschmied Patrick Schröter arbeite ich an einem starren Schwerependel, mit dem das Trägheitsmoment von Schwertern mit hinreichender Genauigkeit gemessen werden kann. Erste Messungen mit einem Testaufbau zeigen eine relative systematische Abweichung von 4 % und eine relative Standardabweichung von 4 %.
Danksagung
Meine Mitfechter von Tremonia Fechten, meine Trainerkollegen vom DDHF und Tilman Wanke von der GEEhW haben freundlicherweise die Messdaten beigetragen, die in diesem Artikel verwendet wurden. Ich danke ihnen für ihre Unterstützung.
Literatur
- [1] N.‑J. Didiez. „Note sur le nouveau système d’escrime pour la cavalerie“. In: Le Spectateur Militaire. Bd. 17. Noirot und Anselin, 1834, S. 461–468.
- [2] A. Fehn. Die Fechtkunſt mit Stoß‐ und Hiebwaffen. Hannover: Carl Rümpler, 1851.
- [3] R. F. Burton. The Book of the Sword. London: Chatto & Windus, 1884.
- [4] F. Fortner und J. Schrattenecker. A Comparison of Late 16th to Early 17th Century Rapiers with Modern Reproductions. Fechtschule Klingenspiel. 2015‑08‑27. URL: https://historisches-fechten.at/wp-content/uploads/2015/08/Comparison_of_Period_Rapiers_to_Modern_Reproductions.pdf (besucht am 2016‑07‑06).
- [5] B. Grotkamp‐Schepers u. a., Hrsg. Das Schwert. Gestalt und Gedanke. Solingen: Deutsches Klingenmuseum, 2015.
- [6] G. L. Turner. Dynamics of Hand-Held Impact Weapons. Version 5. Association for Renaissance Martial Arts. 2002‑07‑22. URL: https://armor.typepad.com/bastardsword/sword_dynamics.pdf (besucht am 2016‑02‑02).
- [7] V. Le Chevalier. A dynamic method for weighing swords. Ensis Sub Caelo. 2014‑11‑15. URL: https://www.subcaelo.net/ensis/weighing/weighing.pdf (besucht am 2016‑02‑02).
- [8] Benutzerhandbuch zur Datenbank. Version 1.1. Gesellschaft zur Erforschung und Erprobung historischer Waffen. 2013‑02‑14. URL: https://historische-waffenkunde.de/Downloads/Benutzerhandbuch%20V%201.1.pdf (besucht am 2016‑07‑05).